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13.03.2010 BBS-Intern

Als Gastlehrer in China

Frage: Wo befinden sie sich, wenn neben ihnen bei einem Jugendlichen ein Handy klingelt? Antwort: Im Schulunterricht natürlich! Und wo? Na klar, in Peking! Diese überraschende Erfahrung machte vor kurzem der Lüchower Berufsschullehrer Sascha Künzel, als er als Gastlehrer am Rande der Metropole Peking, in Beida, an einer Berufsschule 52 zukünftige Fahrzeugmechatroniker gruppenweise unterrichtete. In seinen Lerngruppen waren auch zwei junge Frauen, die mit ihren Kollegen ihre berufliche Zukunft in der zunehmenden Mobilität des Landes sehen. Aber gerade hier zeigen sich erhebliche Ausbildungslücken. Die Ausbildung ist überwiegend theoretisch. Eine praktische Ausbildung an Motoren, Fahrwerk, Steuerung usw. findet selten statt. Das Interesse chinesischer Verantwortlicher am deutschen dualen Ausbildungssystem mit seiner kombinierten praktischen und theoretischen Ausbildung ist gerade deshalb besonders groß.

Schon etliche Wochen vor seiner langen Reise erstellte Künzel Ausbildungsunterlagen. Diese gingen per E-Mail nach China und wurden dort übersetzt. So konnte er mit Unterstützung zweier Übersetzer mit den Auszubildenden viele praktische Übungen aus dem Bereich Fahrzeugelektronik und -mechatronik durchführen. Die Verständigung war nicht wirklich ein Problem. Einige der Schüler hatten erstaunlich gute Englischkenntnisse. Auch die Ausstattung an Modellen und Unterrichtmaterialien beeindruckte. Nur genutzt wurden sie allerdings selten. Beschriftet waren die Materialien chinesisch und englisch, einige nur chinesisch. Hier blieb nur Versuch und Irrtum.

Die Motivation von Gao Jian, Wang Jie, Xie Bo und ihren Mitschülern war hoch, endlich ihre theoretischen Kenntnisse in die Praxis zu übertragen zu können. Bevor sie aber zu den fachlichen Feinheiten kamen, mussten sie lernen systematisch vorzugehen. Zuerst endete das Zerlegen von Motorbestandteilen in einem kleinen Chaos, weil ihre Begeisterung den Gedanken in den Hintergrund rückte, dass alles wieder zusammengebaut werden musste.

Mit Künzel werden sich noch zwei andere niedersächsische Kollegen an diesem Ausbildungsprojekt an dieser Schule beteiligen. Sie sind für die praktischen Erfahrungen mit Motor-, Getriebe- und Fahrwerkssystemen zuständig. Entstanden ist dieses Projekt in Zusammenarbeit mit dem „Chinesischen Zentrum Hannover“ (CZH) und dem Landesfachberater für Fahrzeugmechatronik Klaus Bierschenk von den Berufsbildenden Schulen 6 in Hannover. Mit seinen chinesischen Partnern arbeitet er schon seit einiger Zeit an Lehrplänen für die zukünftigen Kraftfahrzeug-Mechatroniker.

Das „Land des Lächelns“ zeigte sich in diesen vierzehn Tagen von seiner unterkühlten Seite. Wie auch hier in den letzten Wochen, begleitete Kälte, ein eisiger Wind und Schnee dieses Projekt. Kuschelige 15 Grad schafften die rationierten Heizungsanlagen in den großzügigen Lehrwerkstätten. Sie waren Teil eines Ausbildungszentrums mit allgemein und Berufsbildenden Schulen. Untergebracht sind die Schüler und Schülerinnen in eigenen Internaten, die im Übrigen auch nicht besonders warm waren. „Glücklicherweise begann der Unterricht nicht mit einer kollektiven Gymnastikveranstaltung“, schmunzelte Künzel, der natürlich neben seinen Unterrichtsverpflichtungen die Zeit nutze, Land und Leute zu erkunden. Unterstützung fand er bei seinem chinesischen Kollegen und seiner Frau und bei Schülern. Die Große Mauer, der Kaiserpalast aber auch das moderne Peking u.a. mit dem neuen Olympiastadium stand auf dem Programm. Fragen zum „Platz des himmlischen Friedens“ mit seiner schmerzhaften Geschichte wurden allerdings diskret überhört oder nicht verstanden. Wollte man sich aber alleine auf den Weg machen, war es ratsam, sich sein Ziel und seine Hoteladresse in chinesischen Schriftzeichen aufschreiben zu lassen um sicher zu gehen, wieder zurück zu finden. Gewöhnungsbedürftig war auch das Interesse vieler Chinesen an einer europäischen „Langnase“. Sie stellten sich neben den Weitgereisten und ließen sich mit ihm von ihren Begleitern fotografieren. Dies geschah ungefragt, aber mit einen höflichen Lächeln. Etwas skeptisch war der Berufsschullehrer beim chinesischen Essen, aber: „Nicht nur, dass es phantastisch schmeckte, auch mein Magen vertrug alles ohne Probleme.“

So bleibt eine eindrückliche Erfahrung, die im Laufe des Jahres ihre Fortsetzung finden wird, wenn es wieder nach Beida geht um das Angefangene fortzusetzen.

Einige Bilder aus China: