< Chronik 1

Die Sonntagsschule für Handwerkslehrlinge in Dannenberg

Am Anfang stand das Wort, in diesem Fall das geschriebene Wort und zwar in Form einer Verordnung, nämlich der Gewerbeordnung für das Königreich Hannover von 1847. Damit begann offiziell so etwas wie eine Schulpflicht für Lehrlinge.

In einem Schreiben der Königlichen Landdrostei [heute vergleichbar mit der Bezirksregierung, Anmerk. der Verf.] an den Dannenberger Magistrat vom 25. Juni 1850 wird dies näher erläutert:

Das Königliche Ministerium des Innern hat die Einrichtung von Sonntagsschulen für Handwerkslehrlinge, namentlich für kleinere Städte, empfohlen. Begründet wird es damit, dass die

"Fertigkeit im Rechnen und Schreiben jedem Handwerker unentbehrlich (ist), in den gewöhnlichen Volksschulen aber erfahrungsmäßig sehr häufig nicht im wünschenswertem Maaße zu erwerben (ist)".

Weiterhin wird der Magistrat aufgefordert, mit den Bürgervorstehern (Rat) darüber zu beraten und eine Stellungnahme abzugeben.

In ihrer Sitzung vom 8. Juli 1850 beschließen die Bürgervorsteher, das Projekt in Angriff zu nehmen. Für den Unterricht werden der Küster Schönemann (Deutsch), der Organist Scheer (Rechnen) und der Cantor Gelbke (Zeichnen) angeschrieben. Schoenemann und Scheer antworten darauf positiv.

Mit Schreiben vom 25. August 1850 berichtet der Magistrat der Landdrostei, dass von den Städtischen Collegien folgender Beschluss gefasst worden sei:

"Die Nützlichkeit einer solchen Einrichtung wird wohl erkannt, jedoch wurden Problemen bei den Kosten gesehen."

Man war der Meinung, dass nur die wenigsten Lehrlinge in der Lage waren, das geforderte Schulgeld zu zahlen. Aus diesem Grunde wurde folgender Plan beschlossen und der Landdrostei "ehrerbietigst" vorgelegt:

  1. Die Gegenstände des Unterrichts dürften folgende sein: Rechnen, Schreiben, Zeichnen und Orthographie.
  2. An jedem Sonntage sind drei Unterrichtsstunden zu erteilen, nämlich eine Rechenstunde, eine Schreibstunde und dann abwechselnd einen Sonntag eine Zeichenstunde und den nächsten Sonntag eine Orthografiestunde.
  3. Der Unterricht findet im hiesigen Schulgebäude statt.
  4. Jeder Lehrling ist verpflichtet, diese Schule zu besuchen und jeder Meister muß seinen Lehrling zu dieser Sonntagsschule schicken.

Weiterhin wird bemerkt, dass die Aufsicht über die Schule beim Magistrat liege. Den Unterricht sollen Lehrer der Städtischen Schule übernehmen, zu einem Gehalt von 10 Mark jährlich.
Interessant ist auch, dass vermerkt wird, dass die Gilden meist kein Vermögen sondern oft nur Schulden haben, was von den geringen Einnahmen abhängig ist, die in ihre Kassen fließen. Deshalb können sie zum Betrieb der Schule nichts beitragen.

Zum Schluss fordert man eine möglichst schnelle Bearbeitung, damit der Unterricht zu Michaelis (Ostern) 1851 aufgenommen werden kann.

Nicht zu klären ist, was im Jahre 1851 passiert, denn als nächste Unterlage findet sich ein Protokoll vom 2. Januar 1852 über die Versammlung der Schuhmacher - Gilde . Es geht um die Übernahme der Kosten durch die Meisterbetriebe. Einstimmig wurde beschlossen, der Errichtung der Sonntagsschule zuzustimmen. Weiterhin verpflichteten sich die Meister, für die „Eintreibung” des Lehrgeldes zu sorgen. Auch die anderen Gilden stimmten dem Eröffnungsbeschluss zu. Zu jener Zeit gab es in Dannenberg folgende Gilden: Schmiede, Tischler, Schneider, Schuhmacher, Bäcker, Schlachter und Leineweber sowie einige unzünftige Gewerke. Träger der Schule ist der Dannenberger Magistrat. Der Unterricht fand in den Räumen der Städtischen. „Volksschule” statt. Mit wie viel Schülern der Unterricht begonnen wurde, ist nicht bekannt, Bürgermeister Koch beschrieb in der Dannenberg Ortsgeschichte das Ereignis wie folgt:

Mit Ostern des Jahres 1852 trat mit Einverständnis der Gilden und Innungen eine Sonntags- Schule für Handwerks-Lehrlinge in das Leben. Der Handwerkerstand erkannte, was ihm nöthig war, um mit der fortschreitenden Zeit gleichen Schritt zu halten.

Ostern 1852 ist also der nachweisbare Beginn der schulischen beruflichen Bildung im Landkreis Lüchow - Dannenberg.

Diese Sonntagsschule erhielt dann später den Namen Fortbildungsschule für Handwerks-Lehrlinge.

Am 10.11.1866 erhält die Schule die staatliche Anerkennung durch die Landdrostei.

Die nächsten Informationen stammen aus dem Jahre 1867. Danach gab es insgesamt drei Lehrer die 43 Schüler in den folgenden Berufen unterrichteten:

Bäcker 2 Mechaniker 1
Barbier und Friseur 1 Sattler 1
Böttcher 1 Schlachter 4
Buchbinder 1 Schlosser 4
Buch- und Steindrucker 2 Schmiede 1
Drechsler 1 Schneider 7
Klempner 1 Schuhmacher 7
Maler und Lackierer 1 Stellmacher 1
Mauerer 3 Tischler 4

Unterrichtsfächer waren

Deutsch 4 Std.
Rechnen 4 Std.
Zeichnen 4 Std.

Im Jahre 1869 erlässt die Stadt Dannenberg ein Statut für die „Fortbildungsschule der Handwerkslehrlinge”. (Quelle: Stadtarchiv Dannenberg). Damit war ein Schulbesuch für alle Lehrlinge verbindlich. Im Jahre 1882 wurden ein Lehrer und 27 Schüler aufgeführt.

Die Ausgaben und Einnahmen im Schuljahr1890/91 betrugen 570 Mark 74 Pf.

Aus dem Jahre 1890 stammt die Beschwerde der Schule an den „wohllöblichen Magistrat Dannenberg”. Bemängelt wird darin, dass sechs Lehrlinge „den Unterricht im deutschen Rechnen gar nicht" und drei Lehrlinge den Unterricht im abgelaufenen Vierteljahr weniger als „4 Male” besucht haben. Unterschrieben haben mit „Gehorsamst” die Lehrer Gronholz und Diederichs.

[Die alten Probleme sind offensichtlich auch heute noch die aktuellen Probleme, Anmerk. der Verfasser]

Darauf wird mit einer Anzeige in der Jeetzel - Zeitung reagiert: „

Die hiesigen Gewerbetreibenden werden schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, daß vom 1. Oktober d. Js. die geänderte Gewerbeordnung in Kraft tritt, durch die der Besuch der gewerblichen Fortbildungsschule verpflichtend ist.”

Auch das Ortsstatut wurde 1891 neu gefasst.

Weiter findet sich in den Akten die Beschwerde des Lehrers Gronholz vom 10. März 1892, dass die Räume nicht geheizt werden, es seien Temperaturen zwischen 10 und 12 Grad, ein gutes Arbeiten sei nicht möglich.

Auszug aus einem Sitzungsprotokoll der Städtischen Kollegien vom 14.11.1923: „

Vom Magistrat wird mitgeteilt, dass der Berufsschulunterricht vorläufig habe eingestellt werden müssen. Bestimmend hierfür sei gewesen, einmal die Kohlenknappheit und sodann die Unmöglichkeit, die erforderlichen Mittel ohne Zuschüsse des Reiches oder des Staates allein von der Stadt aufzubringen.”

Bei schulischen Revisionen wurde der unregelmäßige Schülerbesuch gerügt. Der Regierungspräsident behielt sich vor, den Staatszuschuss ggf. zu kürzen. Monatlich mussten Berichte mit den Fehlzeiten vorgelegt werden.

Wahrscheinlich auf Grund des Mangels an geeigneten Lehrern, kamen schon damals selbstständige Handwerksmeister zum Einsatz im Unterricht. So wurde im Jahre 1925 der Elektromeister Erich Wunder für den Bereich „Fachzeichnen” eingestellt. Insgesamt hat er sich wohl gut eingearbeitet, jedoch kam in den Revisionen mehrere Jahre hintereinander zur Sprache, dass er an einem Fortbildungskurs in Lüneburg teilnehmen, bzw. den Unterricht der dortigen BBS besuchen sollte. Das scheiterte jedoch immer an den fehlenden Finanzmitteln.

Schülerzahlen
Jahr   Schüler
1925 gelernte gewerbl. Arbeiter
darunter Zeichner
25
15
1926 gewerbliche Arbeiter
Kaufleute
35
4
1927
Kaufleute
34
3
1929 Klasse 1
Klasse 2
27
35
1930 Klasse 1
Klasse 2
29
35
1932 Klasse 1
Klasse 2
27
24
1934 Gemischte Klasse 30

Ein Lehrbuch

Das Lehrwerk aus dem Jahre 1892 von dem Schuldirektor Auerbach enthält zwölf Einheiten für den Unterricht in der Fortbildungsschule. Bemerkenswert ist, dass die Unterrichtsinhalte für alle Ausbildungsberufe anwendbar waren, eine Ausdifferenzierung nach den Berufen war ausdrücklich nicht erwünscht.
Der damaligen Lehrstoff für alle Lehrlinge lautete:
Die Elektrizität,
die Luft,
das Wasser,
die Kohle,
der Kalk,
das Salz,
das Eisen,
das Holz,
die Feldfrüchte,
das Obst,
die Gespinstpflanzen,
die Nutztiere.